Soziale Medien – SC Tegeler Forst veröffentlicht Interview mit mir

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Der SC Tegeler Forst e. V. versucht in diesen schwierigen Zeiten sein Angebot im Breitensport auch durch die Nutzung der sozialen Medien voran zu bringen. Dazu gibt es seit einigen Monaten auf der Internetseite des Vereins einen Bereich Community und bei Strava eine Club, die Nord Berlin – Runners. Dort wurde soeben ein Interview mit mir veröffentlicht. Natürlich könnt Ihr es auch hier lesen. Etwas Zeit muss man schon mitbringen, aber ich finde es ganz gelungen 🙂

Die Expertise eines begeisterten Ausdauersportlers – Interview mit Rudi Neumann

Heute präsentieren wir Euch unseren Lauftreff – Trainer Rudi Neumann. Viel Spaß beim Lesen eines sehr informativen und interessanten Interviews!

Name: Rudi Neumann (56 Jahre)
Verein: SC Tegeler Forst
10 KM Bestzeit: 33:20 min (Straße)
Halbmarathon Bestzeit: 1:12 h
Marathon Bestzeit: 2:35 h
Läufer seit: 2001
längste gelaufene Strecke: Marathon
weitere Sportarten: Radfahren (MTB + Rennrad), Rudern (Ergometer), Schwimmen

SC TF: Lieber Rudi, du hast ein bewegtes Leben. Laufen, Radfahren, Athletiktraining. Du bist selber aktiver und hoch lizenzierter Trainer der Leichtathletik und bietest mit deinem Projekt „Lust auf Bewegung“ Fortbildungen rund um das Thema Ausdauersport und Gesundheitsmanagement an. Dahinter stehen mit Sicherheit eine große Leidenschaft und Faszination für Sport und Bewegung. Gib der Nord Berlin Runners – Community einen kurzen Einblick. Woher kommt deine Begeisterung fürs Laufen?

RN: So genau kann ich das gar nicht sagen. Ich glaube, ich war schon in der Jugend ein ganz guter, vor allen Dingen aber ein ausdauernder Läufer. Nur wusste ich nicht so richtig etwas damit anzufangen. Ich bin mit 17 eine 2:35 min auf 1.000 m gelaufen, im Abi ohne Training eine 2:53 min, was für 15 Punkte gereicht hat. Als junger Erwachsener bin ich dann kaum noch gelaufen. Erst als ich im Frühjahr 2001 gesundheitliche Probleme bekam, hat mir meine Schwester, die Ärztin für Allgemeinmedizin ist, geraten, drei Mal in der Woche 20 Minuten zu joggen. Das war die Initialzündung. 2002 bin ich meinen ersten Halbmarathon gelaufen, und beim Training für meinen ersten Marathon im Jahr 2003 habe ich gemerkt, dass ich immer noch ganz gut laufen kann. So wurde es mehr und mehr. Ich laufe einfach gerne. Man kann es immer und überall machen, es ist gesund und befreit den Kopf.

SC TF: Da hast du ja innerhalb von einer relativ kurzen Zeit ganz große Ziele der meisten Läuferinnen und Läufer schon abgehakt (Halbmarathon und Marathon). Welche Ziele setzt du dir seitdem und wie hat sich parallel deine Leistung entwickelt?

RN: Nach 2003 war mein Ziel zunächst die Verbesserung meiner Marathon-Zeit. Nach einer 3:19 h bei der Premiere war ich hungrig geworden. In dieser Zeit bin ich jeden Wettkampf gelaufen, den ich mitnehmen konnte, unter anderem natürlich alle Wettkämpfe des SC Tegeler Forst e.V. Meine Leistung hat sich dabei kontinuierlich nach oben entwickelt. 2005 war dann „mein“ Jahr. Zunächst habe ich den Zugspitzlauf des SC Tegeler Forst e.V. in Lübars im Frühjahr gewonnen, im Mai bin ich beim Hannover-Marathon 8. mit einer 2:39 h geworden, dann habe ich den Mercedes Benz-Halbmarathon gewonnen, und schließlich bin ich beim Berlin-Marathon eine 2:35 h gelaufen. 2006 habe ich dann länger mit Verletzungen zu kämpfen gehabt, so dass ich drei Monate gar nicht laufen konnte. Jedes Mal, wenn ich wieder mit Tempo trainieren wollte, war auch die Verletzung wieder da. Also habe ich mir zunächst keine Ziele mehr gesetzt, und Wettkämpfe bin ich bis maximal Halbmarathon nur noch zum Spaß gelaufen, manchmal als Hase für ambitionierte Frauen. Mir war das Laufen an sich wichtiger als die Wettkämpfe. Ende 2014 hat mich dann ein Freund, den ich selbst zum Laufen gebracht hatte, überredet, mit ihm den Stockholm-Marathon zu laufen. Das haben wir 2015 gemacht, und es war eine ganz besondere Erfahrung. Im Herbst 2015 bin ich noch einmal in Berlin unter 3:00 h gelaufen. Inzwischen bin ich Mitte 50, meine Leistung wird sich also eher nicht mehr nach oben entwickeln. Jetzt versuche ich Spaß zu haben, und dabei gesund zu bleiben. Da ich sehr ehrgeizig und ungeduldig bin, verzichte ich lieber auf Ziele und Wettkämpfe, und suche nach neuen Herausforderungen im Bereich Ausdauersport. 2018 bin ich z. B. den Zermatt Halbmarathon gelaufen. Da ich die Berge so wie das Laufen liebe, habe ich einmal beides kombiniert. Das war auch sehr schön.

SC TF: Kannst du unter deinen zahlreichen Lauf-Erlebnissen eines herausfiltern, dass dir ganz besonders und emotional im Gedächtnis geblieben ist?

RN: Das ist schwer. Da war der erste Marathon 2003, da war der schnellste Marathon 2005, da war 2015 Stockholm mit sehr schweren Bedingungen, und schließlich 2018 der Halbmarathon in Zermatt, immer mit Blick auf das Matterhorn. Irgendwie hat jeder Lauf seine emotionalen Elemente, mal ist es eine Person, die mich an der Strecke anfeuert, mal sind es besondere Bedingungen. 2019 zum Beispiel bin ich bei den 25 km von Berlin ins Olympia-Stadion eingelaufen, und nach dem Zieleinlauf stand da Gesa Edzards, auch Mitglied des SC Tegeler Forst e.V. und Mitglied meiner Laufgruppe, hat mir die Medaille umgehängt und mich in den Arm genommen. Das werde ich nie vergessen. In Stockholm hat es vom Start weg durchgängig stark geregnet, es waren max. 11° C, und es ging permanent auf und ab. Noch 200m vor dem Stadion wollte ich aufgeben. Im Stadion hatte ich dann Gänsehaut, weil ich mich durch den Lauf gekämpft hatte. Berlin 2015 ist mir in besonderer Erinnerung, weil ich diesen Lauf beherrscht habe. Da war meine ganze Erfahrung drin, es war ein idealer Rennverlauf, und am Ende habe ich mein erklärtes Ziel fast auf die Sekunde getroffen. Der erste Marathon war auch schön, allein weil mir wohl niemand zugetraut hat, dass ich aus dem Stand eine 3:19 h laufe. Am schönsten aber bleibt 2005, einfach weil ich mit einer 2:35 h insgesamt 82. war, dabei 13. Deutscher und 2. Berliner. Und das von über 30.000 Startern. Darauf bin ich noch heute stolz.

SC TF: Dein sportlicher Werdegang zeigt auf erstaunliche Weise, dass unser Körper auch bis ins „höhere“ Alter anpassungsfähig bleibt und auch die Ausdauerleistungsfähigkeit bei kontinuierlichem Training weiter steigern kann. Es ist also nie zu spät mit dem Laufen anzufangen?

RN: Auf gar keinen Fall, es ist nie zu spät. Aber ich möchte da unbedingt differenzieren. Ich habe in den Jahren bei meinen Trainer-Lehrgängen, aber auch im Gespräch mit vielen Ärzten, Physiotherapeuten, Osteopathen, Sportwissenschaftlern und anderen Trainern gelernt, dass wir bei allem immer den Menschen als Ganzes betrachten müssen. Diesen Ansatz verfolge ich auch in meinen Trainingsgruppen und bei meinen Vorträgen und Seminaren im Rahmen von „Lust auf Bewegung“. Daher schaue ich mir auch jeden Menschen an, bevor ich ihm einen Ratschlag gebe, und ich lasse mir einige Fragen beantworten. Natürlich ist es grundsätzlich nie zu spät, um mit dem Laufen zu beginnen. Aber mancher sollte vielleicht zunächst walken oder gar spazieren gehen. Wenn jemand, der sehr lange überhaupt keine Bewegung hatte, direkt mit dem Laufen beginnt, kann er sich sehr schnell verletzen. Das muss nicht sein. In „Lust auf Bewegung“ steckt ja neben der Bewegung auch die Freude daran. Die vergeht sehr schnell, wenn man sich verletzt. Fängt man aber sehr klein an, kann man sich kontinuierlich steigern. Das motiviert, weil es stetig vorwärts geht. Ich habe in meiner Laufgruppe Läuferinnen und Läufer, die haben mit über 40 mit dem Laufen angefangen. Am Anfang waren es vier Runden um den Sportplatz, abwechselnd walkend und gehend. Als die nach einem halben Jahr 5 km am Stück gelaufen sind, haben sie sich gefreut, wie die Schneekönige. Heute ist Laufen ein Teil ihres Lebens. So wie bei mir. Fazit: Es ist nie zu spät mit dem Laufen anzufangen, aber man sollte sich vorher gut informieren oder Hilfe holen. Dann fängt man nicht nur an, sondern bleibt auch dabei.

SC TF: Verletzungsprophylaxe ist mit Sicherheit ein wichtiges Thema, um die Vorzüge des Laufsports dauerhaft gesund genießen zu können. Welche Trainer-Tipps hast du an deine Läuferinnen und Läufer bezüglich der unterstützenden Muskulatur im Ausdauertraining (Athletiktraining)?

RN: Der erste Tipp lautet: Unbedingt Athletiktraining mit in das Lauftraining einbeziehen. Laufen ist bis hin zum Marathon eine leichtathletische Disziplin. Man kann durch das entsprechende Training die Leistung erhöhen und Verletzungen entsprechend vorbeugen. Ich mache zwei bis drei Mal in der Woche Kraft- und Athletiktraining, und ich bemühe mich mindestens einmal in der Woche auch ein Techniktraining einzubauen. Bei jedem Schritt, den ich mache, wird der ganze Körper einbezogen. Also muss ich auch den ganzen Körper beim Training einbeziehen. In meinen Gruppen höre ich immer wieder von Läufern, dass sie mit dem Laufen beginnen und Freude daran haben. Dann steigern sie Umfang und Intensität, und nach einer Weile folgt der erste Rückschlag wegen einer Verletzung. Meist rate ich da zu entsprechendem Kraft- und Athletiktraining. Diejenigen, die es machen, merken meist ganz schnell, wie es besser wird. Was verbirgt sich nun hinter diesem Kraft- und Athletiktraining? Für mich ist es ein Ganzkörpertraining. Ich trainiere die Rumpfmuskulatur genauso wie Rücken, Arme, Beine und Füße. Dabei versuche ich so abwechslungsreich wie möglich zu sein. Es ist zum Beispiel auch Balance dabei, weshalb der Pezzi-Ball oder die Slack-Line genauso zu meinem Training gehören, wie Medizinball, Langhantel und Klimmzugstange. Allerdings würde ich tatsächlich jedem empfehlen, ein solches Training zumindest zu Beginn unter Anleitung eines Experten zu absolvieren. Sonst ist die Gefahr viel zu groß, dass man sich durch ungenaue Bewegungen verletzt.

SC TF: Das eine wichtige Thema ist die Gesundheit, das andere die Steigerung der Ausdauerleistungsfähigkeit. Bekannte Fehler sind zu geringes Training der Grundlagenausdauer, zu schnelles Tempo bei eigenen Läufen oder mangelnde Regeneration. Welche allgemeinen Tipps kannst du hier als Trainer weitergeben?

RN: Eine gute Frage, die höre ich oft. Menschen kommen zu mir, die bereits eine Weile laufen, und berichten, dass sie nicht das Gefühl haben sich zu verbessern. Die wollen wissen, was sie tun können. Bevor ich da Tipps gebe, mache ich es mir einfach, und sage ihnen, dass sie in meine Laufgruppe kommen sollen. Nein, im Ernst. Als erstes frage ich sie, wo sie hin wollen. Denn mein erster Tipp ist immer, dass man ein klares Ziel definieren muss. Sonst geht das eigentlich nicht, und man macht das ja in allen Lebensbereichen so. Irgendwie muss man die Steigerung der Leistungsfähigkeit ja messen können. Mit anderen Worten, in welcher Zeit kann ich eine bestimmte Strecke laufen. Da ist es natürlich völlig egal, ob jemand gerne 5 km laufen möchte, oder ob er für seinen ersten Marathon trainiert. Wer ein Ziel hat, der kann es strukturiert angehen. Und da folgt der zweite Tipp. Man muss wissen, wie ein Training funktioniert. Da gibt es Bücher, Zeitschriften, Internetseiten und Apps. Allein die Anbieter von Sport- bzw. Laufuhren bieten inzwischen Trainingspläne an. Ich habe seinerzeit mit Büchern begonnen, als erstes habe ich Manfred Steffny gelesen. Allerdings hatte ich aus meiner Schulzeit eine gewisse Vorbildung, und ich hatte auch einige Berater. Wer das nicht hat, sollte letztlich tatsächlich zu einem Trainer und/oder in eine Trainingsgruppe gehen. Damit wären wir wieder am Anfang meiner Antwort. Wer seine Ausdauerleistungsfähigkeit steigern möchte, soll in (m)eine Laufgruppe kommen. Ich laufe mit meiner Gruppe ja nicht einfach eine Zeit lang im Wald rum. Ich erkläre den Läuferinnen und Läufern, warum wir was machen, und ich gehe auf Fragen der einzelnen Personen ein. Denn auch hier gilt wieder, dass jeder ganz individuell zu betrachten ist. Was ist sein Ziel, was hat er schon gemacht, wie alt ist er, welche Zeit steht ihm zur Verfügung, wie ist der berufliche und familiäre Hintergrund. Im Notfall schreibe ich dann auch einen Trainingsplan. Für mich ist ganz wichtig, ich muss das hier noch einmal sagen, dass Laufen Spaß machen soll. Das macht es vor allen Dingen, wenn man sich weder überfordert noch unterfordert, und wenn man sich immer wieder auch mal verbessert. Dazu kann ich die notwendige Anleitung geben.

SC TF:Falls jetzt die Leser*innen starkes Interesse zeigen. Welche Lauftreffangebote bietest du im SCTF an und wie viel kostet es?

RN: Zurzeit biete ich einen Lauftreff am Samstag an, wobei ich es eigentlich Trainingsgruppe nenne. Wir beginnen jede Einheit mit einem lockeren Warmlaufen in Gruppen. Danach treffen wir uns wieder, je nach Jahreszeit und Witterung auf dem Sportplatz oder einem anderen geeigneten Gelände. Dort biete ich dann Technik- und Schnelligkeitstraining, weil es die Komponenten sind, die man am besten in der Gruppe durchführen kann. Zum Schluss laufen wir noch kurz gemeinsam aus. Eine Einheit dauert ca. 50 Minuten. Derzeit überlege ich gemeinsam mit dem SCTF, mein Angebot um zwei weitere Termine, Dienstag und Donnerstag, zu erweitern. Diese Tage richten sich an fortgeschrittene Läufer, da ich da mein Tempo und meine Umfänge (jeweils zwischen 15 und 20 km bei ca. 5:00 min/km) laufe. Die Kosten sind gering, man muss Mitglied beim SCTF sein, der aktuelle Beitragssatz für Erwachsene liegt bei 14,00 € im Monat. Dafür kann man aber auch in anderen Trainingsgruppen, und davon gibt es viele, mitmachen, außerdem erhält man Rabatt bei Lang+Lauf, und man kann bei fast allen Laufveranstaltungen des SCTF kostenlos teilnehmen.

SC TF: Ein weiteres großes Thema, bezogen auf die Gesundheit und die Ausdauerleistungsfähigkeit ist die Ernährung. Essen und Trinken. Kohlenhydrate oder Fette. Laufen morgens ohne Frühstück oder mit? Das Thema ist riesig und vielfältig. Welche allgemeinen Tipps kannst du unserer Community mit auf den Weg geben?

RN: Stimmt, riesig und vielfältig. Ernährung. Mit diesem Thema kann man ganze Bücher füllen. Ich halte drei- bis vierstündige Vorträge dazu, um wenigstens die wesentlichen Dinge zu vermitteln. Fangen wir mal dem wichtigsten Tipp an. Man sollte sich gesund und ausgewogen ernähren. Wenig tierisches Eiweiß und Fett, viel Gemüse, viele Ballaststoffe, und möglichst immer alles frisch. Keine Fertigprodukte, in denen sich Dinge verstecken, die niemand essen mag. Außerdem ist in Fertigprodukten meist viel zu viel Zucker und Salz enthalten. Wer selbst kocht, kauft frisch, und er weiß, welche Menge er verwendet und was drin ist. Aber zurück zum Wesentlichen. Für mich gilt hier das gleiche, was auch schon bei den anderen Fragen bzw. Antworten im Vordergrund stand. Man muss den ganzen Menschen anschauen, dann kann man etwas dazu sagen. Lass mich ein Beispiel nennen. Inzwischen ist bekannt, dass die lange Zeit als wichtiger Ernährungsbaustein propagierten Kohlenhydrate auch Ursache für eine viel zu übergewichtige Bevölkerung sind. Außerdem wird aufgrund der Stoffwechselsituation beim Menschen empfohlen, die Kohlenhydrate, wenn überhaupt, nur bis zum Mittag zu essen. Am Abend sollte man darauf verzichten. Jemand wie ich, der so viel Sport treibt, muss sich da aber nicht unbedingt dran halten. Irgendwo muss die Energie ja herkommen. Ich liebe Pasta, und da ich mittags in der Regel nicht warm esse, muss ich sie zwangsläufig abends essen. Ich achte dann aber darauf, dass ich nicht zu spät am Abend esse. Jemand, der eher wenig Sport treibt, und sich jeden Abend seinen Teller Pasta gönnt, könnte ein Problem bekommen. Wie gesagt, jeder Mensch und jede Lebenssituation ist anders. So ist es auch mit dem Frühstück. Ich kann gut vor dem Laufen eine Banane oder ein einfaches Brot essen. Muss ich aber nicht. Ich kann auch 30 km vor dem Frühstück laufen, weil ich das trainiert habe. Solange mein Puls nicht über einen gewissen Wert steigt, holt sich mein Körper seine Energie aus der Fettverbrennung. Das weiß ich, weil ich mich lange damit beschäftigt habe. Letztlich kann ich auch hier nur jedem raten, im Ernstfall einen Fachmann zu Rate zu ziehen. Über Ernährung lässt sich sehr viel steuern, Leistungsfähigkeit, Körpergewicht, man kann auch Verletzungen verhindern oder bestehenden Krankheiten mildern. Auf der anderen Seite verurteile ich das ganze Brimborium, was um die Ernährung gemacht wird. Vegetarier, Veganer, Paleo-Diät und was es nicht alles gibt. Ernährung hat auch viel mit gesundem Menschenverstand zu tun, den sollten wir uns wieder aneignen.

SC TF: Eine deiner Kernbotschaften ist also – „Lerne auf deinen eigenen Körper zu hören.“ Diese Fähigkeit ist sicher eng an Achtsamkeit, Konzentration aber auch das betreffende Hintergrundwissen gebunden. Wie weckst du bei deinen Sportlerinnen und Sportlern aber auch bei deinen Vorträgen diese oft verloren gegangene Fähigkeit?

RN: Zunächst lasse ich die Hosen runter. Zumindest bei meinen Vorträgen möchte ich ja auch Geld verdienen, entsprechend preise ich sie an. Aber das ist doch heute das Problem. Alles wird zum heilbringenden Trend erklärt, und unzählige Leute versuchen damit Geld zu verdienen. Viele Menschen halten das, was in der Werbung versprochen wird, für die Realität. Thema Laufschuhe. Was hat sich da alles getan in den letzten dreißig Jahren. Jede neue Entwicklung war die Lösung aller Probleme, und trotzdem wurde fast alles mit der nächsten Generation schon wieder über den Haufen geworfen. Und das Wort Fakten-Check kennen die meisten erst seit Corona. Vorher wurde jeder Meinungsäußerung im Internet gefolgt, egal ob sie nun wissenschaftlich belegt war, oder nicht. Im Grunde erkläre ich den Menschen als erstes, dass sie nicht alles glauben dürfen, was sie hören und lesen. Ich versuche meine Läuferinnen und Läufer oder die Zuhörer in meinen Vorträgen dazu zu bringen, sich wieder auf die wesentlichen Dinge zu konzentrieren. Wer mit dem Laufen beginnen will, braucht ein paar Sportsachen und Laufschuhe. Natürlich dürfen das nicht die alten Latschen sein, mit denen sie vor 20 Jahren beim Abi die 1000 m gelaufen sind. Also schicke ich meine Leute zum Fachhandel. Das begründe ich auch, denn die Beratung ist wichtig. Und so taste ich mich in allen Bereichen ran. Einfach anfangen, Fachleute fragen, und daraus das entsprechende Hintergrundwissen entwickeln. Anders geht es nicht. Die meisten sind dann wirklich oft erstaunt, wie komplex das Thema ist, wie einfach aber auch manchmal die Lösungen sind. Mit meinen Trainerscheinen und 20 Jahren Lauferfahrung kann ich aus einem entsprechenden Fundus schöpfen, das ist mein Vorteil. Letztlich sind die meisten dankbar, wenn ich ihnen auf ihre Fragen einfache und klare Antworten gebe.

SC TF: Deine Expertise kann man nicht nur in den Lauftreffangeboten des SCTF genießen, sondern auch bei Vorträgen und Workshops. Verrat uns doch noch ein bisschen mehr über dein Projekt „Lust auf Bewegung“, die entsprechenden Angebote und wie man dich, bei Interesse, am besten erreicht.

RN: Ich habe seit 2008 jeden Samstag eine kleine Kondigruppe im Keller des Clubhauses der Tennis-Vereinigung Frohnau. Die Gruppe besteht aus gleichgesinnten im Alter so zwischen 50 und 65 Jahren, und wir versuchen uns durch diesen regelmäßigen Treff fit zu halten. 2015 hat mich eine Teilnehmerin, die bei der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) tätig ist gefragt, ob ich nicht einen Workshop mit Laufprogramm im Rahmen des betrieblichen Gesundheitsmanagement in ihrer Firma anbieten will. Ziel war es, die Mitglieder über ca. drei Monate zum Berliner Firmenlauf zu führen. Also habe ich mir kurzerhand einen Vortrag zusammen gebastelt, und dort einen ca. zweistündigen Workshop mit anschließender Laufeinheit und weiteren Trainingseinheiten abgehalten. Mir hat das großen Spaß gemacht, und offensichtlich ist es gut angekommen, weshalb ich auch andere Firmen angesprochen habe. Die haben mich ebenfalls gebucht, und schon war ein kleines Projekt daraus entstanden. Da musste dann auch ein Name und ein Internetauftritt her, und so ist „Lust auf Bewegung“ entstanden. Das ist es auch, was ich vermitteln will. Lust auf Bewegung, für jeden in seinem Rahmen und nach seinem Bedarf. Da ich in den Folgejahren schlecht den gleichen Vortrag wieder halten konnte, habe ich das noch einmal für Walker, Laufanfänger und Fortgeschrittene unterteilt, dann kamen Workshops für Bewegung und Mobilisierung am Arbeitsplatz und auch für Ernährung dazu. Die jeweiligen Vorträge habe ich immer in meiner kleinen Kondigruppe getestet und dort verfeinert. So habe ich zum Beispiel drei Jahre einige Mitarbeiter der IKK BB, die ja auch Hauptsponsor des Berliner Firmenlaufs sind, auf den Lauf vorbereitet. Aber ich war auch bei Amazon, Hochtief, der Photon AG und kleineren Büros. 2018 wurde ich sogar von Laufen.Springen.Werfen.Berlin, dem Rahmenprogramm um die Leichtathletik Europameisterschaft in Berlin, gebucht. Dort habe ich unter anderem einige Sightseeing-Läufe angeboten. Außerdem habe ich angefangen in einer Art Personal-Training und Beratung schwer übergewichtigen Menschen zu helfen. Für mich war das ein kleiner Nebenerwerb, der teilweise neben meinem eigenen Sport und meinem Hauptberuf nicht ganz leicht zu stemmen war. So bin ich z.B. mehrfach für Vorträge und Lauftraining zur Außenstelle der IKK BB in Frankfurt/Oder gefahren. Das hat natürlich Zeit gekostet. Aber es macht weiterhin großen Spaß. Ich finde, dass Bewegung sehr wichtig für uns Menschen ist, und ich versuche immer, für jeden das richtige Angebot zu finden. Da geht es nicht nur ums Laufen. Ich selbst fahre ja auch viel Fahrrad, ich rudere regelmäßig und ich gehe schwimmen. Jeder findet „seine“ Bewegung, seinen Sport, und 90 % der Menschen, die bei mir damit angefangen haben, wollen nie wieder damit aufhören. Ich bekomme viel positives Feedback. Leider ist das in diesem Jahr aufgrund von Corona komplett eingebrochen, ich habe keinen einzigen Vortrag und auch kein Training abgehalten. Das wurde alles abgesagt. Wir werden sehen, wie das weitergeht. Erreichen kann man mich trotzdem immer über www.lust-auf-bewegung.de oder rudi.neumann@lust-auf-bewegung.de.

SC TF: Auch deine sportwissenschaftliche Ausbildung hat irgendwann begonnen und ist sicher sowieso stetig in einem wandelnden und dynamischen Prozess. Sicher haben dich auf deinem Weg aber ein paar Goldstücke begleitet, die dir besonders im Gedächtnis geblieben sind und die du jederzeit weiterempfehlen kannst. Welche spezielle Literatur, Dokumentationen oder Studien sind dir auf deiner sportwissenschaftlichen Reise im Gedächtnis geblieben?

RN: Wenn es um das Laufen geht habe ich, wie vorher schon erwähnt, mit Manfred Steffny begonnen. Das war das erste Mal, dass ich bewusst erfahren habe, dass ein strukturiertes Training zum Erfolg führt. Ich war 1990 schon einmal für den Marathon angemeldet, weil das der erste gesamtberliner Kurs nach dem Mauerfall war. Ich hatte keine Ahnung von nichts, habe irgendwelche Turnschuhe angezogen und bin losgelaufen. Nach drei Wochen war ich verletzt, weil ich in zu kurzer Zeit viel zu viel mit den falschen Schuhen gelaufen war. Damit war das Projekt gestorben. 2003 kam dann Steffny. Seither habe ich unzählige Bücher gelesen, besonders hervorheben kann ich noch „Die Laufformel“ von Jack Daniels. Da ist die geballte Ladung aus 50 Jahren Erfahrung und Kompetenz drin, kein Schnickschnack am Rande, aber man sollte Vorbildung haben. Mein Goldstück ist aber die Zeitschrift „leichtathletiktraining“ aus dem Philippka Verlag und weitere Veröffentlichungen aus diesem Haus. Hier schreiben namhafte und erfahrene Trainer, alles ist immer ganz nah an der Praxis und an der Lehre. Das ist ein riesiger Fundus an Wissen. Auch unser Hochsprungtrainer aus dem SC Tegeler Forst e.V., Jan-Gerrit Keil, veröffentlicht dort regelmäßig Aufsätze, und obwohl Hochsprung sehr speziell ist, ist auch da immer wieder etwas für mich dabei. Wenn ich nach einer besonderen Buch-Empfehlung suche, frage ich sowieso Jan, der hat immer einen guten Tipp. Früher stand auf der Titelseite der „leichtathletiktraining“ dass sie für Trainer, Übungsleiter und Sportlehrer sei. Heute steht da „nur“ noch Trainer. Ich sehe das als Reaktion auf eine fallende Nachfrage durch Sportlehrer. Die Leichtathletik hat leider nicht mehr den Stellenwert wie früher, was ich schade finde. Schließlich ist sie die Mutter aller Sportarten, und sollte unbedingt an den Schulen gelehrt werden. Aber ich schweife ab. Ich schaue auch immer wieder in die Skripte meiner Trainerausbildung, und ich liebe den YouTube-Kanal von Dominic Ullrich. Der ist mit so viele Liebe und Engagement dabei, das sieht man in jedem einzelnen Video.

SC TF: Du hast das Training der Leichtathletik angesprochen. Sprints, Sprünge und Würfe. Der SC Tegeler Forst plant ein hochintensives Training (HIIT) basierend auf kurzen schnellkräftigen Bewegungen + kurzen Pausen, anzubieten. Welche Leistungsreserve siehst du im sogenannten HIIT Training?

RN: Ich sehe die Leistungsreserve in erster Linie in der Abwechslung. Viele Menschen haben als Ausrede für sportliche Aktivitäten ja oft, dass es ihnen zu eintönig ist, immer wieder das gleiche zu machen. Man sucht nach neuen Herausforderungen und neuen Reizen. Neue Angebote wie HIIT, Tabata, HIFT (Hochintensives funktionales Training) etc. sind sehr gefragt, und sie lassen sich gut vermarkten. Hier wird insbesondere eine junge Zielgruppe angesprochen, die gemeinsam intensiv Sport treiben und ihren Spaß haben. Aus meiner Sicht unterstützenswert, und ich versuche auch immer wieder Teile davon in mein Training einzubauen. Vor allen Dingen finde ich es gut, dass der Verein das jetzt anbieten will. Denn heute folgt die Vielzahl der Menschen den Trends, was gestern noch Jazz-Gymnastik war, ist heute HIIT und morgen dann vielleicht etwas ganz anderes. Diese Entwicklung geht zu Lasten vieler Sportvereine, wenn diese ausschließlich ihre Sparte anbieten. Natürlich ist der SC Tegeler Forst e.V. ein Leichtathletik-Verein, und ich hoffe das bleibt auch so. Aber es spricht ja nichts dagegen, dass man gerade im Breitensport die vielen unterschiedlichen Trainingsformen drumherum mit anbietet. Wichtig ist, dass ich die Leute dazu bringe, sich zu bewegen. Das tun sie nur, wenn das entsprechende Angebot da ist. Außerdem ist es wichtig, dass die Übungen korrekt ausgeführt werden, und dass sie den Sportlern auch im Alltag helfen. Daher arbeite ich viel an der Rumpfstabilität, an der Rückenmuskulatur, ich baue viel Balanceübungen ein, aber auch Life Kinetik gehört zum Beispiel zu meinem Programm. Mit anderen Worten, ich hole mir meine Anregungen überall her, damit es abwechslungsreich und umfassend bleibt, und damit alle Spaß haben. Eine komische Antwort, denn unterschwellig ist auch etwas Kritik drin. HIIT ist ja vor allen Dingen vor dem Hintergrund entwickelt, wie ich möglichst viel Fett in kurzer Zeit verbrenne. Also Sport unter dem Manager-Aspekt mit Zeitoptimierung. Ich kann aber Fett auch beim Laufen verbrennen. Das dauert etwas länger, aber ich bin an der frischen Luft, und ich habe mal Zeit, den Kopf auszuschalten. Am Ende geht es mir wieder um den ganzen Menschen, und nicht darum, was die Werbung verspricht. Wenn ein 58jähriger übergewichtiger Mensch zu mir kommt, und mich fragt, was er denn am besten tun sollte, dann werde ich ihm ganz sicher nicht HIIT empfehlen. Ich sehe eine Leistungsreserve, übrigens auch im Leistungssport, aber es ist eben auch nur ein Baustein.

SC TF: Vielen Dank für das Interview und deine Zeit! Wir freuen uns, dass du in Zukunft all dein Wissen auch in unseren Lauftreffangeboten weitergeben kannst.